Studierendengruppe mit E-Autos auf einer Bergkuppe im Odenwald
„Der Spieltrieb ist wichtig“

Das Fahren hat er im Blut: Als ausgebildeter Testfahrer brettert Jens Hoffmann auch mal los – allerdings nur auf gesichertem Terrain, und vom Bremsen versteht er mindestens so viel wie vom Beschleunigen: Vor seinem Wechsel an die h_da 2021 war der promovierte Fahrzeugtechniker bei Continental für die Entwicklung neuer Bremssysteme verantwortlich. In seinen Lehrveranstaltungen bringt der Professor für Elektromobilität den Studierenden sein Thema manchmal auch auf etwas unorthodoxe Weise näher. Im impact-Interview erklärt er, was ihn daran begeistert und warum er die E-Mobility aber trotzdem nicht als Heilsbringer für die Verkehrswende betrachtet.

Interview: Christina Janssen, 4.12.2023

impact: Kürzlich sind Sie einen nebligen Herbstsamstag lang mit Ihren Studierenden in den E-Autos der h_da am Berg Frankenstein unterwegs gewesen. Machen Sie das nur zum Spaß?

Prof. Dr. Jens Hoffmann (lacht): Spaß macht das auf jeden Fall und der Spieltrieb ist dabei auch wichtig. Aber die Studierenden sollen natürlich etwas lernen. Sie bekommen vorher die Theorie und können dann selbst überlegen, welche Fragestellungen sie bei den Fahrversuchen praktisch untersuchen wollen. Wir waren dann mit den E-Fahrzeugen der h_da einen Tag lang gemeinsam am Berg Frankenstein im Odenwald, dort konnten sie alles erproben.

impact: Was denn zum Beispiel?

Hoffmann: Wir haben bei jedem Auto die Energieflüsse gemessen: Wie viel Strom, wie viel Spannung haben wir in verschiedenen Situationen? Das haben wir am Berg gemacht, um herauszufinden, wie viel Energie man beim Autofahren vom unteren Parkplatz unten bis ganz nach oben braucht. Das mussten die Studierenden sich vorher schon überlegen und dabei zum Beispiel auch die Klimatisierung einbeziehen: An so einem kalten, regnerischen Tag – wie viel Energie wird allein dafür verbraucht? Und wie viel Energie kriege ich zurück, wenn ich mit Rekuperation den Berg wieder runterfahre? Das haben wir mit allen E-Auto-Modellen unserer Hochschule ausprobiert, mit dem kleinen Renault Twizy bis zum großen Tesla Model 3.

impact: Rekuperation bedeutet Rückgewinnung, in diesem Fall von Energie?

Hoffmann: Richtig. Wir können einen Teil der Energie, die wir beim Hochfahren gebraucht haben, wieder zurückgewinnen. Das ist ein Novum bei den Elektroautos, das können Verbrennerautos standardmäßig nicht.

impact: Das hatten die Studierenden vorher modellhaft berechnet, um dann abzugleichen, ob ihre Ergebnisse stimmen?

Hoffmann: Es ging zunächst um Schätzungen. Diesmal waren Studiengänge dabei, die nicht aus der Automobilwelt kommen. Ich mache ähnliche Aktionen auf einem höheren Niveau mit den Master-Studiengängen Automobilentwicklung, Wirtschaftsingenieurwesen, Maschinenbau und Mechatronik. Diesmal waren die Gebäudesystemtechniker und Energiewirte im Bachelor dabei, deshalb haben wir das etwas spielerischer gemacht. Wir haben gemessen und dann sollten die Studierenden die Ergebnisse erklären.

impact: Sind das Kompetenzen, die die Studierenden später im Job brauchen? Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass ein Routenplaner mir exakt berechnet, wie weit ich mit einem E-Auto komme, wenn es auf der Strecke x Kilometer Steigung und Gefälle gibt.

Hoffmann: Genau. Die neuesten E-Fahrzeuge können das auch schon. Die Studierendengruppe, die jetzt auf dem Frankenstein dabei war, muss aber darüber hinaus auch ein Verständnis für die Infrastruktur aufbauen, die es braucht, um Elektromobilität zu ermöglichen. Mit ihnen machen wir auf dem Campus deshalb auch Ladeversuche an Wallboxen: Was mache ich, wenn abends um 18 Uhr alle mit ihren Elektroautos nach Hause kommen, sie einstöpseln und dann alle mit maximaler Leistung bis 21:00 Uhr laden? Was passiert, wenn ich in einem Gebäude drei Autos nebeneinander laden will? Dafür haben die jetzt ein Verständnis. So etwas selbst auszuprobieren, ist immer eingängiger, als es sich theoretisch erklären zu lassen.

impact: Wo sind Sie noch mit Ihren Studierenden unterwegs?

Hoffmann: Mit dieser Gruppe fahren wir im Dezember noch zum Betriebshof der Heag und schauen uns die Elektromobilität mit Bussen an. Dort treffen wir den zuständigen Projektleiter. Das ist eine schöne Sache, jetzt haben die Studierenden alles auf kleinerem Fahrzeug-Niveau verstanden und können dann die richtigen Fragen stellen.

impact: Und auf einem Flugplatz waren Sie auch schon unterwegs?

Hoffmann: Ja, auf dem alten August-Euler-Flugplatz in Griesheim haben wir mit einer anderen Gruppe Fahrversuche gemacht. Da kann man sich dann die Leistung der E-Autos mal richtig anschauen.

impact: Aber ohne abzuheben.

Hoffmann (lacht): Ohne abzuheben. Dort gibt es eine lange Landebahn, da haben wir eine Tesla-Beschleunigung von 0 auf 200 km/h und von 200 auf 0 km/h gemacht. Das ist einfach beeindruckend. Und durch das Messsystem sehen wir, wie viel Strom dann zum Beispiel durch die Kabel im Auto fließt und wie viel Leistung der Motor produziert. Warum habe ich dann eine bestimmte Beschleunigung, warum flacht sie bei höheren Geschwindigkeiten ab? Da kommt das ganze fahrzeugtechnische Wissen rein plus die Elektrothematik.

impact: Ist die Elektromobilität aus Ihrer Sicht die Schlüsseltechnologie in der Mobilitätswende?

Hoffmann: Nein.

impact: Also eine Brückentechnologie?

Hoffmann: Nein. Hybridtechnik ist für mich eine Brückentechnologie. Die Elektromobilität wird bleiben, es wird aber in Zukunft viele verschiedene Technologien geben und auch weiterhin Verbrennungsmotoren. Die Frage ist: Wo setzt man was ein? Zurzeit wird viel über Wasserstoff diskutiert. Ich persönlich glaube, dass wir die Wasserstoffkapazitäten, die wir irgendwann hoffentlich mal haben, für Anderes brauchen werden als für die private Anwendung in der Mobilität. Mobilität wird viele Facetten haben. Und es ist nichts gewonnen, wenn wir jeden Verbrenner durch ein E-Auto ersetzen.

impact: Warum nicht?

Hoffmann: Weil es einfach zu viel wird. Wir leben offensichtlich über unsere Verhältnisse. Nicht nur in Deutschland, sondern global. Und dann muss man sich fragen: An welcher Stelle darf oder muss es auch mal weh tun? Ich kenne meine Nachbarn, die fahren mit einem Verbrennerauto für fünf Minuten irgendwohin und kommen wieder zurück. Das tut mir allein schon für den Verbrennermotor weh, denn der wird in fünf Minuten nicht mal richtig warm (lacht). Das sind Formen der Mobilität, die wir ändern müssen, nicht nur indem wir Verbrenner durch E-Autos zu ersetzen. Denn auch dabei wird tonnenweise Stahl bewegt – nur eben mit Batterie. Das Ganze muss leichter und effizienter werden. Die E-Scooter sind vielleicht nicht das beste Beispiel, aber immerhin ein Versuch.

impact: Kritiker bemängeln, dass der Abbau von Rohstoffen für die Batterien auch mit Umweltbelastungen einhergeht. Nur eben nicht bei uns in Europa.

Hoffmann: Natürlich muss man immer die ganze Kette anschauen. Aber da werden manchmal auch Äpfel mit Birnen verglichen: Die Erdölindustrie konnte jahrzehntelang unterhinterfragt dreckig und ohne Sozialstandards produzieren. Elektromobilität ist dagegen noch eine junge Technologie, die Politik muss hier die richtigen Rahmenbedingungen noch setzen. Und eins sollte man in der Diskussion um seltene Erden bedenken: Eine 500-Kilo-Batterie aus einem Tesla ist nach Ende der Fahrzeugnutzung nicht verloren. Die Rohstoffe, die ich am Anfang reinpacke, stehen am Ende immer noch zur Verfügung. Im Gegensatz zu einem Liter Sprit, den ich verbrenne – da habe ich nur noch CO2.

impact: Sind die Batterien zu 100 Prozent recycelbar?

Hoffmann: Es gibt heute Verfahren, die proklamieren, 95 bis 98 Prozent wiederzuverwerten. Wir brauchen eine Technologie, die das wirtschaftlich macht. Im Moment lässt sich damit kein Geld verdienen. Das wird sich hoffentlich ändern, wenn die aktuelle Generation E-Autos in zehn bis 15 Jahren neue Akkus braucht.

impact: E-Mobility geht auch auf zwei Rädern: Sie arbeiten im „GAUSS Project“ mit einem interdisziplinären Team von Studierenden an einem neuen h_da-Elektro-Motorrad. Wann wird es fertig?

Hoffmann: Das wird noch eine Weile dauern. Das Team hat sich das Ziel gesetzt, ein 24-Stunden-Rennen zu fahren. Wir hoffen, dass es 2025 klappt. Aber vorher wird „GAUSS II“ ein paar Runden auf dem Vorplatz vor dem h_da-Hochhaus fahren.  

impact: Vielen Dank für das Gespräch.