„Aufwand für Verbraucher muss gering sein“

Die junge Generation werde in eine Gesellschaft hinein sozialisiert, die dem Gedanken von „weniger Konsum, vernünftiger Konsum, nachhaltiger Konsum diametral entgegensteht“, sagt Andreas Homburg. Der Professor für Umweltpsychologie und Nachhaltigkeit hält es für „moralisch nicht vertretbar“, junge Menschen zum umweltbewussten Handeln aufzufordern, da die Älteren den Klimawandel „verbockt“ hätten. Sinnvoller sei es, dies gemeinsam über die Generationen hinweg zu fördern. Welche Bedingungen Verhaltensänderungen erleichtern, erforscht der Wissenschaftler am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Hochschule Darmstadt.

Interview: Canan Topçu, 14.6.2023

impact: Was sind Ihre Themen in Lehre und Forschung?

Prof. Andreas Homburg: Eines ist menschliches Verhalten im Umweltbereich: wie man es erklären, wie man es ändern kann und wie man Kampagnen macht. Gemeinsam mit den Studierenden gehen wir diesen Fragen nach. Uns beschäftigt, wie eine Transformation hinzubekommen ist, also auch ein systemischer Wandel. Denn es bringt nichts, nur seinen Müll zu trennen, es muss mehr passieren. Infrastrukturen müssen sich ändern, Mobilitätsangebote geschaffen werden… bis hin zum gesellschaftlichen Wertewandel. Im Rahmen des Master-Studiengangs Wirtschaftspsychologie widmen wir uns explizit auch Themen wie dem sozialen Wandel. Der Master ist so aufgebaut, dass die Studierenden erst die Grundlagen vermittelt bekommen, danach selbst Kampagnen und Veränderungsprozesse entwickeln. Nach dem Studium können die Absolventen sogar mehr als einzelne Dozenten. Sie sind in der Entwicklung ganz vorne dabei, sie arbeiten an Änderungskonzepten und eignen sich nicht nur altbekanntes Lehrbuchwissen an. Denn das, woran wir an der Hochschule arbeiten, ist noch gar nicht zu Lehrbuchwissen verfestigt.

impact: Warum nicht?

Homburg: Vor fünf, sechs Jahren war das Thema Klima noch nicht so im Bewusstsein und auf der politischen Agenda, das hat sich ja radikal geändert. Der Klimawandel lässt sich nicht mehr ignorieren, und dadurch ändern sich auch die Notwendigkeiten. Was zur Folge hat, dass ich meine Vorlesungen wirklich jedes Jahr anpassen muss, um am Puls der Zeit zu sein.

impact: Wie sensibel sind Studierende für Umweltfragen?

Homburg: Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Ich bekomme ja nur eine Auswahl mit, da ich das Fach Umweltpsychologie lehre. Die Studierenden kommen in meine Seminare, weil sie Interesse an diesen Themen haben. Und bei diesen Studierenden nehme ich das Interesse als sehr groß wahr. Sie sind sehr engagiert, aber nicht im Sinne von collective action, wie wir es nennen, also kollektive organisierte politische Aktionen. Sie sind keine Aktivisten, die meisten denken im System und wollen die Themen an erster Stelle in ihre berufliche Entwicklung integrieren. Sie haben im Beruflichen und im Privaten teils unterschiedliche Präferenzen. Manche sind vielleicht wirklich sehr umweltbewusst, andere machen gern Reisen. Sie werden das im Kurs aber nicht raushängen, weil das ja unökologisch ist. Mein Eindruck ist: Die Studierenden sind auf der Suche nach Möglichkeiten, die klassischen psychologischen Themen mit Umweltthemen zu verbinden.

impact: Stichwort umweltbewusstes Verhalten: Sie haben dazu vorliegende Studien in einem Übersichtpaper zusammengefasst?

Homburg: Es gibt die Bereitschaft, umweltbewusst zu handeln. Wenn aber der Aufwand zu groß ist, setzt es kaum jemand um. Aufwand bedeutet bespielweise, mit drei Mehrwegbehältern zum Supermarkt zu gehen. Diesen Aufwand betreiben nur sehr motivierte Menschen. Die Konzepte für die Umsetzung müssen durchdacht sein. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Es wird sehr viel mit Mehrwegverpackungen experimentiert, wie etwa mit den so genannten Kaffeebechern „To go“. Re-cups. Damit nicht ständig Plastikbecher verbraucht werden, sind Mehrwegbecher ein guter Ansatz. Ich glaube aber nicht, dass sie sich wirklich durchsetzen werden.

impact: Worin bestehen die Probleme?

Homburg: Damit es gelingt, muss der Aufwand für den Verbraucher gering sein. Dafür muss erstmal geschaut werden, wo die Hemmnisse sind und worin die Vorteile bestehen. Wir haben uns damit im Seminar beschäftigt: Hemmnisse sind unter anderem, dass der Mehrwegbecher gespült werden muss, dass man daran denken muss, ihn mitzunehmen, dass er zusätzlichen Platz braucht. Der Vorteil ist, dass er Geld spart, die Umwelt schon und stabiler ist. Die Vorteile sollten in den Vordergrund gestellt werden. Dafür braucht es Marketingkampagnen – und zwar das so genannte „Community Based Social Marketing“. Relevant für kleinen Veränderungsprozesse ist unter anderem, dass eine Minderheit, die über ihr Verhalten redet, etwas bewirken kann. Das selbstverständliche Sprechen über das eigene bewusste Handeln kann andere motivieren. Am besten funktioniert das, wenn diese Vorbilder angesehene Personen oder einem ähnlich sind und als glaubwürdig wahrgenommen werden. Wir Menschen sind durchaus bereit, etwas zu ändernd, auch langfristig. Was wir aber wissen: Wer nicht bedenkt, wo überhaupt sein Möglichkeitsraum ist, und wer sich zu viel vornimmt, der scheitert, weil er sich zu aufwendige Sachen vornimmt. Die meisten fangen zudem spontan mit etwas an, was aber der Umwelt gar nicht viel nützt. Wir sollten auf Effizienz achten. LED-Lampen einbauen, brav das Licht ausmachen, das ist gut. Wichtiger wäre aber zu schauen, woher kommt mein Strom.

impact: Was gestern als umweltfreundlich galt, kann es heute aber schon nicht mehr sein – wie etwa Holz-Pellet-Heizungen. Dieses Brennmaterial ist laut Umweltschutzorganisationen doch nicht so klimaneutral, wie vor einigen Jahren noch behauptet…

Homburg: Es ist ja nicht immer so, dass sich dann nachher herausstellt, dass etwas nicht doch nicht so gut ist. Was aber gelernt wurde: Wenn man politisch irgendwas regelt oder ändert, zum Beispiel Pellets fördert, dann muss man die ganze Lieferkette im Blick haben. Anderes Beispiel: Wenn man ein Tierwohlsiegel einführt, dann müssen die Rahmenbedingungen auch gut durchdacht sein, damit nicht doch noch Fleisch von Tieren auf den Markt kommt, die in anderen Ländern unter schlechten Bedingungen gehalten werden. Ein weiteres Beispiel: E-Scooter, die nicht dazu geführt haben, dass Auto-Kilometer gespart werden. Es hat die Spaß-Mobilität befördert – mit negativen gesundheitlichen Auswirkungen: Statt zu Fuß zu gehen oder Fahrrad zu fahren, fahren die Leute mit dem Roller.

impact: Können Umweltbewusstsein und die erforderlichen Veränderungen durch collective action erzwungen werden? 

Homburg: Aktivismus ist dann notwendig, wenn man nicht über die üblichen Kanäle gehört wird. Menschen, die sich beispielsweise für die Gleichstellung von Frauen engagiert haben, sind doch nicht aktivistisch geworden, weil sie überall präsent, sondern weil sie unterrepräsentiert waren. Sie mussten sich auf provokante Weise einmischen, was irritierend war. Das versucht die aktivistische Umweltbewegung auch. Spannend ist die Frage, unter welchen Bedingungen das passiert. Ich glaube, die Umweltbewegung hätte – wie alle anderen sozialen Bewegungen – genauso gute Chancen, zum Mainstream zu werden, wenn sie nicht so unter Zeitdruck stünde. Eine Frau Anfang des letzten Jahrhunderts hätte es wohl auch nicht gut gefunden, wenn jemand gesagt ihr hätte „Och, das dauert noch 100 Jahre, bis ihr wählen könnt“. Das Argument der Klimaaktivisten ist nachvollziehbar: In Deutschland sind wir bei einem Temperaturanstieg von um die 1,6 Grad. Es ist eben nicht so, dass wir 100 Jahre warten können, bis Maßnahmen ergriffen werden. Als Psychologe stellt sich mir die Frage, wie Aktivisten ihren Protest so gestalten könnten und müssten, dass er nicht in Gut und Böse unterteilt wird, um eine gute Chance zu haben, vom Mainstream gehört zu werden.

impact: Was ist Ihre Antwort?

Homburg: Sie müssen glaubwürdig und konsistent sein, also nicht heute so und morgen ganz anders agieren. Sonst sagt die Mehrheit: Die haben ja einen in der Waffel! Die Mehrheit versucht, die Minderheit abzustempeln. Das war beispielsweise in der Frauenbewegung auch so. Man sollte immer wieder versuchen, die Leute zu erreichen, Aktionen nicht mit Gewalt umsetzen und nicht einfach auf Schuldige zeigen, sondern Lösungen anbieten.

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Christina Janssen
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