Portraitzeichnung Prof. Fauser und Prof. Geyer in Schwarz-Weiß
„Anspruchsvoll und sehr kompetitiv“

„Anspruchsvoll und sehr kompetitiv“

Das erste DFG-Projekt an der h_da startete 2010, das wohl bekannteste aus dieser Anfangsphase war die „Editions- und Forschungsstelle Frank Wedekind“. Seitdem sind kontinuierlich DFG-Projekte aus unterschiedlichen Fachbereichen hinzugekommen, das thematische Spektrum reicht derzeit von der Soziologie über Statistik und Cyber Security bis zum Maschinenbau. Im impact-Interview berichten Prof. Dr. Dirk Geyer vom Fachbereich Maschinenbau und Kunststofftechnik und Prof. Dr. Margit Fauser vom Fachbereich Soziale Arbeit über ihre Erfahrungen und Strategien.

Ein Interview von Christina Janssen, 24.3.2022

impact: Die DFG wird als Königsklasse der Forschungsförderung betrachtet. Wie schwierig ist es, einen Antrag bewilligt zu bekommen?

Fauser: Wir gehören ja sozusagen zu den Glücklichen, die durchgekommen sind. Insofern ist das schwer zu sagen. Aber man kann das natürlich an den Bewilligungsquoten ablesen, sie liegen bei 20 bis 25 Prozent. Es ist also anspruchsvoll und sehr kompetitiv.

Geyer: Die Frage ist eigentlich: Wie schwierig ist es, den Antrag zu schreiben? Für einen DFG-Antrag braucht man eine durchdachte Strategie, also eine wirklich gute Fragestellung und eine gute Geschichte dazu.

impact: Es ist interessant, dass Sie von einer „Geschichte“ sprechen…

Geyer: Ja, das ist die erste Hürde: Habe ich eine Fragestellung und kann ich plausibel darstellen, wie ich sie angehen möchte?

Fauser: Und bin ich die richtige Person dafür? Viele DFG-Förderlinien sind sehr personenorientiert, da zählen Lebenslauf und Publikationsliste. Eine Idee zu haben, ist schön, aber man muss auch „verkaufen“ können, dass man in der Lage ist, sie zu bearbeiten – sowohl fachlich als auch als Wissenschaftlerpersönlichkeit.

impact: Können Sie Ihre aktuelle DFG-Geschichte in fünf Sätzen erzählen?

Fauser: Wir beschäftigen uns mit lokalen Akteuren im Grenzmanagement. Wie werden nicht nur an Landesgrenzen, sondern in unseren Städten Grenzen gezogen? Dabei spielen Behörden, aber auch Wohlfahrtsverbände oder NGOs eine Rolle, wenn es etwa um Fragen der Familienzusammenführung geht, um Visabeantragung, Abschiebung oder auch den Zugang zu Gesundheitsversorgung und sozialer Unterstützung. Diese Dinge sind vielfach an den Aufenthaltsstatus geknüpft, dadurch werden externe Grenzen in die Städte hinein verschoben. Das nehmen wir im aktuellen DFG-Projekt in den Blick. (s. Infotext „Grenzfragen“)

impact: Was ist Ihre "Geschichte", Herr Geyer?

Geyer: Mein übergeordnetes Thema sind chemische Speichermedien für erneuerbare Energien. Erneuerbare Energien müssen künftig über weite Wege transportiert und auch gespeichert werden können. Chemische Energiespeicher sind dafür letztendlich die einzige großskalige Möglichkeit: Das kann Wasserstoff sein, das kann Eisen sein oder auch Methanol, also sehr unterschiedliche Brennstoffe.

Wir beschäftigen uns in unseren aktuellen DFG-Projekten mit der thermochemischen Wandlung solcher Brennstoffe, indem wir Verbrennungsprozesse durch aufwändige Laser- und Kameratechnologie untersuchen. (s. Infotexte „Feuer und Flamme I & II“)

impact: Wie viele DFG-Projekte hatten Sie bereits?

Geyer: Drei.

impact: Und aktuell laufen zwei?

Geyer: Die laufen demnächst aus. Im Dezember habe ich eins um die Ohren gekriegt, leider ein großes, ein weiteres ist in der Begutachtung und an einem Antrag schreibe ich gerade. Der limitierende Faktor ist die Zeit, die Anträge zu schreiben. Von meinen Kollegen höre ich zwar immer wieder: Du hast doch deine Doktoranden, die Anträge schreiben. Das stimmt aber nicht. Gerade für die DFG-Anträge muss man sich selbst hinsetzen. Man braucht einige Jahre in der Wissenschaft, um so etwas schreiben zu können.

Fauser: Und da gibt es auch einen Unterschied gegenüber den Universitäten, die in der Regel mehr Personalressourcen haben. Da habe ich nicht nur Doktoranden, sondern auch Postdocs.

impact: Was ist noch wichtig?

Fauser: Ganz wichtig ist die Vernetzung in der Fach-Community. Man muss die Gutachterinnen bzw. Gutachter vielleicht nicht gerade persönlich kennen, aber man sollte sich in der Forschungscommunity bereits einen Namen gemacht haben und den Gutachtern bekannt sein.

Geyer: Ich würde außerdem niemandem empfehlen, einen DFG-Antrag als ersten Antrag zu stellen. Es ist auf jeden Fall hilfreich, das erst einmal an „einfacheren“ Formaten zu üben – zum Beispiel bei „Forschung für die Praxis“ in Hessen oder beim BMBF. Dann hat man später bei der DFG auch schon etwas vorzuweisen.

impact: Wir halten also fest: Man braucht eine gute Geschichte, schreibt den Antrag unbedingt selbst, fängt nicht aus dem Stand mit der DFG an. Was können Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen noch auf den Weg mitgeben?

Geyer: Es ist auf jeden Fall eine gute Strategie, klein anzufangen: mit kleinen Studierendenprojekten, aus denen man vielleicht Publikationen generieren kann. Über diese Publikation geht man dann in die ersten Anträge oder in größere Projekte hinein und baut sein Profil so von unten auf. Der zweite Punkt: Ich arbeite stark interdisziplinär, beispielsweise mit den Optotechnikern, Chemikern und Mathematikern an unserer Hochschule. So kann ich mich fachlich breiter aufstellen und verschiedene Kompetenzen ins Projekt holen. Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass diese Interdisziplinarität gestärkt wird und man über das Tellerranddenken der Fachbereiche hinausgeht. Fachbereichsgrenzen sind nichts, was Forschung fördert, sie sind eher hinderlich.

Fauser: Ich würde das unterstreichen. Man braucht eine Forschungsstrategie, und zwar ganz grundsätzlich, nicht nur für DFG-Anträge. Man muss sich überlegen, wie man sich Themen erarbeitet, wie man sie aufbaut. Was die Fachbereichsgrenzen angeht, kann ich nur sagen: Mein Fachbereich, die Soziale Arbeit, ist an sich schon sehr interdisziplinär aufgestellt. Auch da kann ich nur zustimmen.

Geyer: Ein weiterer Baustein kann es sein, Lehre und Forschung zu verknüpfen. Das hilft mir zum einen, das große Lehrdeputat zu schultern, gleichzeitig kann ich den Studierenden viel aktuellere Inhalte vermitteln. Man muss nicht das Wissen von vor 30 Jahren erzählen.

Fauser: Und dafür sind natürlich auch Forschungsmodule im Curriculum wichtig. Bei uns am Fachbereich sind das empirische Module. Das könnte man auf der Ebene der Curricularentwicklung noch weiter ausbauen. Ich glaube, das ist wichtig, um an aktuelle Debatten anknüpfen zu können und Themen voranzubringen.

Geyer: Das halte ich auch für sehr wichtig. Und wenn man dann die DFG als „Gipfel“ dieser gesamten Entwicklung sieht, heißt das: Man muss man den Berg erklimmen. Dazu gehört – quasi als Steigeisen – die Verbindung von Forschung und Lehre.

impact: Um im Bild zu bleiben: Ist der Weg zum Gipfel für HAW-Professorinnen und -Professoren besonders steil und steinig?

Fauser: Ja, ich denke schon – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Die Höhe des Lehrdeputats ist ein Grund, der Lebenslauf unter Umständen ein weiterer: Viele Kolleginnen und Kollegen haben, bevor sie an eine HAW gekommen sind, längere Zeit in der Praxis gearbeitet und waren nicht mehr in der Forschung aktiv. Dann bringt man nicht die entsprechende Publikationsliste mit. Wenn man jahrelang raus war, ist das schwer aufzuholen.

Geyer: Ich habe zwar auch während meiner Zeit in der Industrie den Kontakt gehalten und weiterhin publiziert, aber natürlich nicht im gleichen Umfang wie vorher. Ich habe hier an der h_da dann eine Zeitlang gebraucht, um wieder auf das nötige Level zu kommen. In den ersten Jahren sind die Ideen nicht so geflossen wie jetzt.

Fauser: Das betrifft auch die Darstellung gegenüber Gutachterinnen und Gutachtern. Wenn man fünf oder zehn Jahre nicht publiziert hat, nicht zeigen kann, dass man an Debatten beteiligt war, ist man raus.

impact: Wie schaut die DFG grundsätzlich auf die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, gibt es da Vorbehalte?

Geyer: Ich würde es als personengebunden bezeichnen, wie man wahrgenommen wird. So erlebe ich das jedenfalls im Kollegenkreis. Da wird nicht abwertend über die HAWen gesprochen, ich fühle mich in der Community sehr akzeptiert. Außerdem gibt es ja einen politischen Druck, auch HAWen zu berücksichtigen.

Fauser: Da sagt vermutlich niemand: Oh, die sind von der HAW, das kriegen die nicht hin. Aber gleichzeitig gibt es natürlich auch keinen Bonus. Da hat keiner Mitleid bei 18 Semesterwochenstunden.

Geyer: Definitiv nicht.

impact: Hat die DFG-Förderung aus Ihrer Sicht Vorteile gegenüber anderen Geldgebern?

Geyer: Die DFG ist einer meiner liebsten Fördergeber. Wenn man ein DFG-Projekt bekommen hat, hat man im Prinzip totale Freiheit bei der Abarbeitung. Die wissenschaftliche Freiheit ist größer als bei allen anderen Projekten, man kann Ideen erproben und wirklich forschen. Und wenn man merkt, dass etwas nicht funktioniert wie geplant, kann man in eine andere Richtung umschwenken. Da hat man vollkommen freie Hand.

impact: Frau Fauser, erleben Sie das auch so?

Fauser: Ja, auf jeden Fall. Es ist natürlich wichtig, dass man mit dem Geld etwas Sinnvolles anfängt und die Ergebnisse publiziert. Aber wenn sich im Forschungsprozess Anpassungsbedarfe ergeben, und das ist immer so, ist man frei. Das betrifft auch das Budget. Früher war es zum Beispiel nicht möglich, Sachmittel in Personalmittel zu konvertieren. Das ist mittlerweile kein Problem mehr. In meinem aktuellen Projekt konnten wir aufgrund der Pandemie bestimmte Dinge nicht umsetzen – zum Beispiel Face-to-Face-Interviews in Spanien, die Feldforschung vor Ort. Wir werden deshalb eine kostenneutrale Verlängerung beantragen, und das geht wahrscheinlich auch durch.

impact: Welche Unterstützung gibt es bei Antragstellung und im Projektverlauf hier an der h_da?

Fauser: Die Kolleginnen und Kollegen in der „Servicestelle Forschung und Transfer“ beraten in der Phase der Antragstellung. Und im Projektverlauf wird einem sehr viel an aufwändiger Bürokratie abgenommen. Meine Mitarbeiterinnen haben außerdem einen Raum im Haus der Forschung bekommen. Das ist ganz wunderbar.

Geyer: Wir werden administrativ wirklich gut unterstützt: Das Organisatorische, also beispielsweise den Mittelabruf, erledigt das SFT sehr kompetent. Darüber hinaus gab es bislang die Möglichkeit, von der Hochschule eine Anschubfinanzierung von 5.000 Euro zu bekommen. Es wäre aus meiner Sicht sehr wichtig, dass diese Möglichkeit weiterbesteht.

Fauser: Das ist nicht viel Geld, aber ein guter Anschub, um Anträge vorzubereiten. Ich habe eine solche Förderung vor meiner Zeit an der h_da an der Uni Bielefeld erhalten und davon Hilfskräfte eingestellt, die mich bei einer Vorstudie unterstützt haben. Daraufhin habe ich einen Aufsatz publiziert und hatte somit schon eine Referenz. Das war absolut zentral.

impact: Da kommen wir also zur Kategorie „Wunschliste“…

Geyer (lacht): Ich habe eine lange Wunschliste.

impact: Dann verraten Sie uns doch, was ganz oben auf der Liste steht.

Geyer: Ich wünsche mir eine stärkere Verquickung von Lehre und Forschung. Außerdem fangen wir ja gerade an, einen Mittelbau aufzubauen. Über dieses Vorhaben Kontinuität in der Zahl der Doktorandinnen und Doktoranden zu bekommen, ist natürlich ein Wunsch. Ich hätte gerne Räume für Promovenden im Hochhaus, damit sie näher an den Laboren, die wir gerade massiv modernisieren wollen, angesiedelt sind und nicht vom Haus der Forschung zum Labor laufen müssen. Das nächste wäre die Stärkung der interdisziplinären Forschungsstrukturen, die Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen über die Fachbereichsgrenzen hinweg und eine entsprechende Förderung dafür. Aber klar: Das kostet alles Geld.

impact: Zurück ins Hier und Jetzt: Was planen Sie aktuell in Sachen DFG?

Fauser: Wir werden als Nächstes die spanischen Feldforschungen angehen, die bislang aufgrund der Pandemie zurückgestellt wurden. Und dann will ich ein neues Projekt machen zu transnationaler Arbeitsmobilität. Also zu hochmobilen, grenzübergreifenden Arbeitsformen und deren rechtlicher Absicherung.

Geyer: Bei uns sind es zwei Schwerpunkte. Einer ist die Weiterentwicklung der Laser-Diagnostik in unseren Laboren. Der zweite ist die Erforschung neuer Brennstoffe wie Ammoniak oder Methanol. Ein Wasserstoffprojekt denken wir auch an. Also, es gibt vier bis fünf Projekte, die in der Pipeline sind, aber auch Zeit benötigen, um sie alle anzugehen.

impact: Wir drücken die Daumen!

Ein Kurzfassung dieses Interviews finden Sie in der aktuellen Ausgabe der campus_d: https://h-da.dubbelspaeth.de/campus_d_27/

Kontakt

Christina Janssen
Wissenschaftsredakteurin
Hochschulkommunikation
Tel.: +49.6151.533-60112
E-Mail: christina.janssen@h-da.de

Ansprechpartnerin im SFT

Dr. phil. Jeanine Dörr
Referentin für Forschung und Transfer
Telefon: +49.6151.16-30036
E-Mail: jeanine.doerr@h-da.de

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