40 Studierende von fünf europäischen Partnerhochschulen haben in einem „Blended Intensive Programme“ an der Hochschule Darmstadt eine Woche lang eine Marketingkampagne für Interrail entwickelt, den Europa-Pass der Deutschen Bahn. Ums Überwinden von Grenzen ging es auch bei der kreativen Zusammenarbeit für das praxisnahe Projekt, an dem die Hochschulallianz EUT+ mit Studierenden aus Zypern und Lettland intensiv beteiligt war. Die Ergebnisse überzeugten: Am Ende konnten sich viele der Werbenachwuchs-Gruppe vorstellen, selbst per Interrail zu reisen.
Von Alexandra Welsch, 18.3.2024
Es hat was von James Bond: In futuristischer Ästhetik führt ein Schienenstrang aus einem Tunnel heraus, dahinter eröffnet sich ein europäisches Universum. „One Pass to Open Europe“, lautet die Message, die hier in Wort und Bild für das europaweite Bahnticket Interrail werben soll. Bekanntlich nimmt selbst 007, der Filmstar unter den Geheimagenten, manchmal den Zug. Doch vor den Studierenden hier liegen erst noch etliche Fragen. Gerade hängen sie am „Storytelling“. Groß haben sie den Begriff als zentralen Narrativhebel ans Whiteboard geschrieben. „Das ist holländischer Humor“, kommentiert Jayden Stook ihr Tunnelbild. „Bei uns gibt es das Sprichwort ‚Licht am Ende des Tunnels‘.“ Sein Gegenüber aus Zypern aber versteht zunächst nur Bahnhof. „Das gibt es bei uns nicht“, stellt Antria Varella fest. Und wieder weitet sich ein Horizont.
Die Gruppe ist eins von acht Studierendenteams, die im Rahmen der Abschlusswoche des „Erasmus Blended Intensive Programme“ (BIP) zum Thema „European Teams in Advertising“ an der Hochschule Darmstadt (h_da) eine europaweite Kommunikationskampagne für den Interrail-Bahnpass erarbeitet hat. Gut 40 junge Leute aus sechs Nationen nahmen an dem aus EU-Geldern finanzierten Projekt teil, das International Office der h_da stand dem Fachbereich unterstützend zur Seite. Fast die Hälfte der Gäste kam von Hochschulen der europaweiten Hochschulallianz EUT+: von der Cyprus University of Technology in Zypern und der Riga Technical University in Lettland. Außerdem waren Studierende und Lehrkräfte der h_da-Partnerhochschulen Universidad Cardenal Herrera in Spanien, Inholland University of Applied Sciences in Alkmaar und der AP University of Applied Sciences and Arts in Antwerpen dabei. Es war also auch ein weiterer Schritt auf dem Weg, die Vision des Zusammenwachsens zu einer europäischen Hochschule mit Leben zu füllen.
„Eine tolle Sache, aber viele kennen das gar nicht“
Initiiert hat das Projekt Marketing-Professor Ralf Schellhase vom h_da-Fachbereich Wirtschaft, der bereits etliche ähnliche Programme mit europäischen Partnern organisiert hat. „Es ging schon um Paella in Spanien oder Olivenöl in der Türkei“, erzählt er in einem der Kursräume im h_da-Studierendenhaus, während vorne an der Tafel das holländisch-zyprische Team weiter über Tunnelnarrative diskutiert. Auf das Thema gekommen ist Schellhase nicht nur, weil er selbst Interrail-Fan ist. „Das ist eine tolle Sache, aber viele junge Leute kennen das gar nicht mehr“, stellt er fest. „Und das ist aber genau die Zielgruppe, die man damit ansprechen will.“
Bevor sie zu der Darmstadt-Woche zusammengekommen sind, mussten die Teilnehmenden für das Programm im Umfang eines Wahlpflichtmoduls mit 180 Arbeitsstunden über sechs Wochen an ihren Hochschulen Teilprojekte absolvieren. Im Rahmen einer Marktforschung erarbeiteten sie einen Fragenkatalog zum Urlaubsverhalten wie etwa der Wahl der Reiseziele oder Fortbewegungsmittel. Ergänzend führten sie persönliche Interviews durch mit offenen Fragen, auch zur Bekanntheit von Interrail. Die Ergebnisse galt es dann, in einem Forschungsbericht und einer Power-Point-Präsentation zu fassen und bei zwei Online-Veranstaltungen der europäischen Gesamtgruppe zu präsentieren. Zu Gast war dabei auch ein Social-Media-Manager von Interrail, der den Kurs mit Input zum Unternehmen anreicherte.
Ein Werbe-Elefant als Inspirationsquelle
Die Gehirne glühen bei der kreativen Phase für die Message und Medienstrategie ihrer Marketingkampagnen in einem großen Kursraum im h_da-Studierendenhaus, wo drei Gruppen parallel brainstormen. „Memory“ steht als zentraler Ansatz auf dem Flipchart eines Fünferteams. Zur Inspiration hat der holländische Dozent Marten Coerts einen Werbeclip-Klassiker für Schoko-„Rolos“ eingebracht mit einem Elefanten – und der Erkenntnis, dass der nie vergisst. „Sie spielen mit dem Gedächtnis eines Elefanten“, so Coerts. Dies sollen sie nun in einem Kniff auf das Gedächtnis eines Fisches anwenden. „Damit eröffnet ihr ein ganzes Universum“, meint er, blickt aber noch in fragende Gesichter. Verwirrt? „Ein kleines bisschen“, gibt die spanische Studentin Maria De Vargas Cuñat zu. Doch im nächsten Moment stürzen sich die Fünf ins Brainstorming: Im Fokus der Fisch und die Frage, was sein kleines Gehirn für immer erinnern würde. Spoiler: „Macht es nicht zu kompliziert“, so hat Dozent Coerts vorausgeschickt.
Dass simple Slogans oft die besten sind, bekommt kurz darauf auch die Gruppe am anderen Ende des Raums vermittelt. „Nur eine Zugfahrt entfernt“, hat Belgier Branislaw Simovic oben auf das Board geschrieben. Und spricht nun von der Idee einer Kletterwand in Bahnhöfen als Werbeträger. „Was hat das mit Interrail zu tun?“, hakt Marketing-Professorin Yioula Melantiou von der Cyprus University of Technology nach. „Beides ist eine Herausforderung“, antwortet der Student. „Und kann einen auf einen Berg bringen.“ Die Professorin rät zu einer leicht zu fassenden Botschaft, empfiehlt aber auch: „Schmeißt nicht zu viel über Bord, ihr habt gute Ideen.“
„Hier interagieren die Studierenden sehr intensiv“
Dass die Studierenden im BIP-Programm und im Rahmen des intensiven EUT+-Austauschs von verschiedenen Lehrkräften diverser Herkunft und Perspektiven so verdichtet Input bekommen, gehört zu den Schätzen des Programms. „Die Erfahrung ist tiefer“, meint Dozent Pepe Martinez aus Spanien, auch im Vergleich zu längeren Erasmus-Austauschangeboten über mehrere Monate. „Hier interagieren die Studierenden sehr intensiv innerhalb einer Woche.“ Es sei wichtig, Grenzen zu überwinden und einander zu verstehen, ergänzt Modris Ozolins aus Riga. Und: „Unter dem Dach von EUT+ teilen wir ähnliche Anliegen und Lösungen.“ So hofften sie, durch die Zusammenarbeit von neun Hochschulen aus ganz Europa in der EUT+-Allianz mehr internationale Studierende zu gewinnen und die Mobilitäten von Studierenden wie Beschäftigten anzukurbeln. Auf ähnliche Positiveffekte baut für die Darmstädter Seite Austausch-Organisator Schellhase. „Wir haben neue Partnerhochschulen gebraucht“, erzählt der Marketing-Professor. Durch die wachsende europäische Hochschulallianz sei nun der neue Kontakt zu Zypern und Lettland entstanden.
Vor allem aber seien diese kürzer angelegten BIP-Programme ein Gewinn für die Studierenden. „Nur eine Woche ins Ausland, das trauen sich viele eher zu als für ein halbes Jahr.“ Für etliche sei es das erste Mal, so ins Ausland zu reisen. „Das ist eine Riesen-Herausforderung“, weiß Schellhase. Zwar werden Reise- und Unterkunftskosten über EU-Pauschalen bezuschusst. Aber es gelte, Kultur- und Sprachhürden zu überwinden. Allein das viele Englisch-Sprechen sei für viele schwierig. „Die müssen sich durchkämpfen.“ Es gelte, mit Menschen aus anderen Kulturen mit anderen Vorstellungen klarzukommen, die man sich nicht ausgesucht habe. „Aber am Ende des Programms haben schon einige gesagt: Das war die beste Woche meines Lebens.“
Abschluss im Braustüb’l: „Eine tolle Erfahrung, man lernt viel.“
Kartoffelsuppe, Käsespätzle, Rinderschmorfleisch oder Rotbarschfilet – typisch deutsch liest sich die Menüauswahl am Abschlussabend im Traditionsgasthaus „Braustüb‘l“. Passend dazu gehen immer wieder Bierhumpen hoch für ein gemeinsames „Prost“. Nach einer Woche fachspezifischem In- und Output entlädt sich die junge Energie in so lautstarkem Geplauder, dass einem die Ohren klingeln. Und fragt man einzelne nach der Erfahrung mit dem BIP-Programm, bekunden sie ähnliche Begeisterung wie Brendah Odhiambo: „Man lernt viel“, lobt die h_da-Studentin vom Studiengang Internationale BWL und zählt auf: Kulturellen Austausch, Sprachbarrieren überwinden, miteinander klarkommen und zusammenarbeiten, neue Tools und Methoden. „Es ist eine tolle Erfahrung.“
Exakt das sagt auch Santa Abele aus Riga, nur wie die meisten hier auf Englisch. „Man gewinnt neue Erfahrungen, Kontakte, Freunde, erkundet Ideen und Wissen, kann sein Englisch weiterentwickeln, wächst auch persönlich daran“, stellt die Lettin fest. „Es hat auch mein Interesse an Wissenschaft gesteigert und hilft bei der Orientierung fürs spätere Arbeitsleben.“ Und noch etwas nimmt sie aus ihrer ersten EUT+-Erfahrung konkret mit: den Wunsch, mal eine Europareise per Interrail zu machen. Den bekundet am Ende des Programms auf Nachfrage überdies rund die Hälfte der Teilnehmenden. Santa schmunzelt: „Die Kampagne hat zumindest bei uns schon mal funktioniert.“
Kontakt
Christina Janssen
Wissenschaftsredakteurin
Hochschulkommunikation
Tel.: +49.6151.533-60112
E-Mail: christina.janssen@h-da.de
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