Den richtigen Dreh finden

19 Studierende der Cyprus University of Technology festigen in einem EUt+-Projekt ihr Wissen in praxisnahen Laboreinheiten am Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der Hochschule Darmstadt (h_da). Ein Highlight sind die Fahrversuche mit campuseigenen E-Autos. Aber auch die erhöhte Schnitzelfrequenz in Deutschland wird goutiert. Schon besteht die Idee, daraus ein festes Kursangebot zu machen.

Von Alexandra Welsch, 16.10.2023

Das Whiteboard ist übersät mit Gleichungen, Zahlen, Bruchstrichen, Diagrammen. So viel zur Theorie, nun zur Praxis: Laboringenieur Martin Denner lenkt die Studierendengruppe zum Prüfstand gegenüber. An der großen Schalttafel drückt er auf den Knopf zum Starten der Antriebsmaschine, direkt läuft ein brummendes Surren los. „So, the machine is running“, sagt der Leistungselektronik-Ingenieur in geübtem Fachenglisch, das hier alle sprechen. Und weiter auf Englisch: „Wir haben jetzt keine Last drauf, was wäre da die zu erwartende Drehzahl?“

Den Dreh rausfinden – darum ging es in dieser Sondereinheit im Leistungselektronik-Labor des h_da-Fachbereichs Elektrotechnik und Informationstechnik für 19 Studierende der Cyprus University of Technology, einer der acht Hochschulen, mit denen die h_da in der Allianz „European University of Technology“ (EUt+) zusammenarbeitet. Zum Ende der Sommersemesterferien war die Gruppe der zyprischen Partneruniversität im Rahmen von EUt+ drei Tage lang in Darmstadt an der Hochschule zu Gast. Als Teil ihres Uni-Kurses „Power Systems II“ unter Leitung von Professor Petros Aristidou absolvierten die 17 jungen Männer und ihre zwei Kommilitoninnen im letzten Semester ihres Bachelor-Studiums zentrale Laboreinheiten auf dem Hochschulcampus in Darmstadt.

Zahlenreihen in Bewegung

Die Augen wandern immer wieder hoch zum Bildschirm neben der Schalttafel. Dort sind Zahlenreihen in Bewegung, ändern sich Werte für Spannung, Leistung oder Drehzahl. Während links unterm Tisch in der Asynchronmaschine der Läufer rotiert. Asynchronmaschinen finden sich in vielen Anwendungen, seien es Pumpen, Lüfter, Elektrofahrzeuge oder Werkzeugmaschinen. „Wie lässt sich die Drehzahl erhöhen?“, fragt Laboringenieur Denner in die Runde. „Die Frequenz ändern“, antwortet ein Student. „Perfect“, lobt der Ausbilder. Auf einem Papier schreiben sie Zahl für Zahl die Werte ab, die jeweils nach Änderung einzelner Parameter auf dem Bildschirm erscheinen. Zum Beispiel: ohne oder mit Anlasswiderstand, der durch Drehen eines Reglers verändert wird. Da wird beim Vorlesen der Zahlenreihen untereinander sprachlich auch mal ins Griechische gewechselt, flutscht dann doch besser als das Fachenglisch.

Für Prof. Dr. Athanasios Krontiris von der h_da ist die Zusammenarbeit im Rahmen der europaweiten Kooperation ein spürbares Anliegen. „Für mich ist es eine Pflicht, diese Kontakte aufzubauen“, sagt der Professor für Elektrotechnik und Auslandsbeauftragte des Fachbereichs. Als das Projekt EUt+ vor drei Jahren losging, habe er alle Partnerunis recherchiert und geschaut, wo eine Kooperation sinnvoll ist. „In drei Jahren war ich an vier Hochschulen für Gastvorlesungen.“ An der Cyprus University of Technology (CUT) war Krontiris vor anderthalb Jahren, um dort einen einwöchigen Kompaktkurs zu geben. In diesem Rahmen entstand der Kontakt zum Professorenkollegen Petros Aristidou, der nun diese Besuchseinheit als Teil eines Wahlkurses im Bereich Energietechnik organisiert hat.   

„Echter Impact und wichtige Einblicke“

Vorteile sieht er dabei mehrere. „Wir haben hier am Fachbereich Labore und Manpower, die andere Universitäten nicht haben“, betont Krontiris. Allein im Labor für Leistungselektronik könnten unterschiedliche Versuche und hochentwickelte Prüfstände anbieten. „Diese Ressourcen können wir stärker in unsere Hochschulpartnerschaften einbringen.“ Das „Laborsharing“ mit den EUt+-Partnern ermögliche einen praxisnahen Wissenstransfer über europäische Grenzen hinweg. Zudem hofft der Fachbereich, dadurch neue Masterstudierende gewinnen zu können. „Weil wir den Master breiter aufstellen und europäischer ausrichten wollen“, erläutert der Professor. Zurzeit komme der Großteil der Studierende aus dem außereuropäischen Ausland.

Wer weiß, vielleicht kommen perspektivisch Studierende aus Zypern dazu. Die Begeisterung unter den jungen Gästen aus Zypern zumindest ist gegen Ende des dreitägigen Besuchs groß. Ein Highlight für viele war gleich am ersten Tag der Besuch im E-Mobility-Lab, wo sie Fahrversuche mit campuseigenen E-Autos machen und die Messergebnisse direkt mit der Software des  externen h_da-Kooperationspartners, der Firma imc Test & Measurement GmbH, auswerten konnten. „Unsere Labore haben solche hochentwickelten Maschinen nicht“, befindet Student Loukas Stavrou. „Das bringt uns echten Impact und ist wichtig, um Einblicke zu bekommen, wie der künftige Job aussehen könnte.“

Studierende loben hohes Level und engagierte Lehrende

Voll des Lobs ist auch sein Kommilitone Giannis Tsangaris: „Wir haben ähnliche Geräte, aber nicht auf diesem Level“, sagt der Student bei einer kurzen Pause vom Ablesen der Messergebnisse von der brummenden Asynchronmaschine. „Das ist attraktiver.“ Weil besser greifbar und verstehbar werde, was sie tun. „Es ist so leichter, Wissen zu entwickeln und anzuwenden.“ Klasse findet er zudem die Lehrenden – sie seien voller Wissen und sehr engagiert dabei, es zu vermitteln. Und von Deutschland und Darmstadt, das sie alle zum ersten Mal besuchen, sind die Gäste aus Zypern ebenfalls angetan. „Es ist alles sehr geordnet“, stellt Loukas fest. Zudem habe ihn die vielfältige Verkehrsinfrastruktur beeindruckt und die vielen Parks. „Ja, so viel Grün“, findet auch Giannis, der sich auch an der erhöhten Schnitzelfrequenz hierzulande gelabt hat.

Dass die Studierenden all diese Erfahrungen machen können, ist vor allem dem Engagement ihres Professors Petros Aristidou zu verdanken. Er hat die Extra-Einheit in seinem „Power System“-Kurs vorbereitet und wird sie da auch nachbereiten. „Wir haben an der Universität weniger Möglichkeiten für Laborarbeit“, erklärt er. An der Hochschule Darmstadt gebe es einen größeren Fokus auf Technik und spezialisierte Labore. Das ermögliche den Studierenden anschaulichere Erfahrungen in Ergänzung zur Theorie, auf die die CUT in der Lehre den stärkeren Fokus richte. „Außerdem ist es für unsere Studierenden eine sehr gute Gelegenheit, grenzüberschreitende Erfahrungen zu machen und andere Länder zu erkunden.“

Bangen vorm Check-In

Welche Herausforderungen das mit sich bringen kann, wird hier ebenfalls deutlich. Bange Blicke werfen der Professor und sein Laboringenieur Panayiotis Pericleous am Rande der Laboreinheit auf den Laptop vor sich. „Check-In“ steht dort. Und weil eben die Information kam, dass der Flug überbucht sei, befürchten sie, auf dem Rückflug in die sonnige Heimat nicht alle 21 Personen unterzubekommen. Doch dann wird auch der letzte ihrer Reisegruppe angenommen. „Gott sei Dank“, ruft der Laboringenieur freudig und klatscht in die Hände. Am Abend werden sie zurückfliegen.

Wenn es nach Petros Aristidou geht, wird das nicht der letzte Besuch dieser Art bleiben. „Ich würde daraus gerne etwas Reguläres machen“, sagt der Professor aus Zypern. Wobei er fünf Tage besser fände und einen Aufenthalt während des laufenden Semesters, sodass auch die Begegnung mit Studierenden h_da möglich wäre. Doch hänge das davon ab, inwiefern Kurzprogramme wie dieses weiter im Rahmen von EUt+ unterstützt würden. Dieses Mal habe die CUT die Kosten für Reise und Unterkunft von 800 bis 850 Euro pro Person übernommen. „Wenn die EUt+-Leitung das unterstützt, würde ich das gerne als regulären Kurs anbieten“, sagt Aristidou. Und auch h_da-Professorenkollege Krontiris würde das grundsätzlich begrüßen. „Wir möchten solche Programme nachhaltig gestalten.“

Kontakt

Christina Janssen
Wissenschaftsredakteurin
Hochschulkommunikation
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