Mitarbeiter des Forschungsprojekts betrachtet eine Gasflamme und Messgeräte
Energie aus Eisen

Das Verbund-Forschungsprojekt „Clean Circles“  untersucht das Potenzial von Eisen als Speicher für erneuerbare Energien. Wenn es gut läuft, ist mit der h_da erstmals eine Hochschule für Angewandte Wissenschaften Teil der Exzellenzinitiative.

Von Nico Damm, 8.7.2021

Eisen – ein Wort, bei dem die meisten wohl eher an das Verlegen von Bahnschienen als an den Energiespeicher der Zukunft denken. Wer Prof. Dr. Dirk Geyer vom Fachbereich Maschinenbau und Kunststofftechnik in seinem laserdiagnostischen Labor besucht, kann einen ganz neuen Blick auf das Element werfen. Dafür bedarf es lediglich eines Bunsenbrenners und feinen Eisenstaubs. Geyer streut eine kleine Menge der Partikel mit einem Spatel in die Flamme. Sofort ergießt sich ein Funkenregen über den Metalltisch. Denn Eisenpartikel brennen im Mikrometerbereich sehr gut und setzen Energie frei. „Dabei entsteht kein CO₂, dafür aber Eisenoxid, also Rost, welcher mit erneuerbaren Energien wieder zu Eisen reduziert werden  kann“,  sagt  Geyer.  Dieser „Clean Circle“, also ein sauberer Kreislauf, ist das Ziel eines neuen Verbundprojekts, das das Potenzial des Eisens als Energiespeicher ausloten soll.

Europa wird Strom importieren

Warum Eisen? „Wir steigen in Europa aus fossilen Energien aus. Gleichzeitig ist das Potenzial für erneuerbare Energie in Mitteleuropa begrenzt.“, sagt Geyer. Künftig werde Europa große Mengen erneuerbarer Energien importieren müssen. Das könnte so aussehen: An wind- und sonnenreichen Standorten außerhalb Deutschlands wird regenerative Energie in Eisen gespeichert, nach Deutschland importiert und in umgerüsteten Kohlekraftwerken zur Energieerzeugung verbrannt. Denn Eisen lässt sich nicht nur hervorragend energetisch nutzen, sondern auch gut lagern und transportieren. Das macht Eisen aus Sicht der Forschenden besonders attraktiv, da die Einspeicherung der Energie zeitlich und räumlich getrennt von der Ausspeicherung, also der energetischen Nutzung erfolgen kann. Und: Der Kreislauf wäre CO₂-frei. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst fördert das Verbundvorhaben mit 5,7 Millionen Euro im Rahmen der sogenannten Clusterprojekte, die vielversprechende Vorhaben für die Bewerbung um die kommende Runde der Bund-Länder-Exzellenzinitiative fit machen sollen. Hinter „Clean Circles“ steht ein Verbund, der neben der h_da und der federführenden TU Darmstadt das Karlsruher Institut für Technologie, die Universität Mainz und weitere Partner wie die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit umfasst. An der h_da entstehen hierfür zwei Promotionsstellen.

Eisen statt Kohle?

Die Chancen stehen gut, dass sich mit moderatem Aufwand Kohlekraftwerke für die Eisenverbrennung umrüsten lassen und somit bereits weltweit Infrastruktur für den „Clean Circle“ vorhanden ist. Das bei der Verbrennung entstehende Rostpulver kann aufgefangen und an sonnen- und windreiche Orte wie Südspanien oder Marokko transportiert werden. Dort könnte erneuerbarer Strom genutzt werden, um mittels Elektrolyse Wasserstoff zu erzeugen, um damit den Rost wieder zu Eisen zu reduzieren. Der Sauerstoff, der im Rost gebunden ist, reagiert bei hohen Temperaturen mit dem Wasserstoff – es bleiben Eisen und Wasser zurück. „Damit wird das Wasser im Kreislauf geführt und ariden Regionen nicht entnommen“, sagt Geyer. Dieser Kreislauf lässt sich Geyer zufolge beliebig oft wiederholen. Dass dies technisch möglich ist, wurde in kleinerem Maßstab bereits gezeigt. Doch das massiv beschleunigte Um- steuern vieler Länder auf Klimaneutralität erfordere neue Ansätze.

Es gibt aber auch noch viele offene Fragen. Einigen geht Dr. Sandra Hartl auf den Grund. Die studierte Mathematikerin und promovierte Ingenieurin führt eine an der h_da bisher weitgehend unbekannte Stellenbezeichnung, „Postdoc“. Die Spezialistin für turbulente Verbrennungsprozesse ist eine der zwei ersten Frauen, die über das Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder gefördert wurden und leitet eines der zwei Teilprojekte von „Clean Circles“ an der h_da. Ihre Aufgabe ist die Entwicklung von thermodynamisch-mathematischen Modellen, die die Prozesse des Eisen-Kreislaufs nachbilden sollen. „Damit reduzieren wir Komplexität und können simulieren, wie sich Veränderungen von Rahmenbedingungen auswirken.“ Die fertigen Modelle sollen dabei helfen, Sensitivitäten des Prozesses zu verstehen und zu ergründen, wie man ein Kohlekraftwerk umrüstet: Wie hoch muss die Temperatur sein? Wie lässt sich verhindern, dass Eisen verklumpt oder Schadstoffe entstehen? Solche Dinge lassen sich auch experimentell erforschen, allerdings kostet das viel Zeit und Geld.

Flamme unter der Lupe

Um Simulationen zu validieren und die Prozesse besser zu verstehen, sind auch Experimente Teil des Forschungsvorhabens. Geyer führt in einen kleinen Raum – das Labor für Optische Diagnosemethoden und Erneuerbare Energien. Im Halbdunkeln geht es vorbei an Apparaturen mit hell leuchtenden, grünen Laserstrahlen hin zu einem Versuchsstand, an dem vier Kameras auf eine kleine gelbliche Flamme blicken. „Hier werden wir unter anderem untersuchen, mit welcher Geschwindigkeit die Oxidationsprozesse der Eisenpartikel bei verschiedenen Temperaturen und Sauerstoffatmosphären ablaufen.“ Künftig soll hier die Eisenverbrennung, wie sie später im Kraftwerk erfolgt, an einzelnen Partikeln detailliert untersucht werden. Das Prinzip: Ein fokussierter Laser wandelt Partikel in ein Plasma um, das elementspezifisch Strahlung aussendet. Diese kann wiederum mit dem Spektrometer aufgenommen und analysiert werden. Bei der „laserinduzierten Plasmaspektroskopie“ wird der gemessene Prozess nicht unmittelbar gestört, sodass die Bedingungen direkt in der Eisenstaubflamme gemessen werden können. Ziel ist die Entwicklung einer Diagnosemethode zur Analyse der Partikel bei sehr hohen Temperaturen. Hartl und Geyer sehen sich als Teil eines großen Puzzles. Neun wissenschaftliche Disziplinen nähern sich im Rahmen von vier Forschungsfeldern transdisziplinär dem Thema. Auch die Politik- und Wirtschaftswissenschaften sind vertreten, um zu ergründen, ob der „Clean Circle“ wirtschaftlich tragfähig und politisch durchsetzbar ist. Denn sollte er einmal im großen Maßstab etabliert sein, ist eine stabile wirtschaftliche und politische Beziehung zwischen Europa und ihren Partnern im Süden essentiell.

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