Fassade Rückseite h_da-Hochhaus mit blauen Reflexionen in den Fenstern
„Eine eigene Forschungskultur etablieren“

Die passende Ausschreibung für Forschungsmittel oder die richtige Förderlinie zu finden, ist nicht immer leicht. Wie können Wissenschaftler*innen sich besser durch den Antragsdschungel navigieren? Wo finden sie Beratung, geeignete Partner oder technischen Support? Woher die Zeit für aufwendige Recherche nehmen angesichts hoher Lehrdeputate? Mögliche Hürden, die einem Forschungsprojekt entgegenstehen können und die das „Forschungszentrum für Angewandte Informatik“ (FZAI) für Angehörige der Hochschule Darmstadt aus dem Weg räumen möchte.

Interview: Astrid Ludwig, 13. Dezember 2024

impact: Welche Idee oder Motivation verfolgt die Hochschule Darmstadt mit ihrem Forschungszentrum für Angewandte Informatik?

Prof. Dr. Bernhard Humm: 2016 hat das Land Hessen seinen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften das eigenständige Promotionsrecht zuerkannt. Dafür wurde 2017 unter anderem das hochschulübergreifende Promotionszentrum Angewandte Informatik genehmigt, an dem die Hochschule Darmstadt neben der Frankfurt University of Applied Sciences sowie den Hochschulen Fulda und RheinMain beteiligt ist. Die Hürde, in dieses Promotionszentrum aufgenommen zu werden, liegt für Wissenschaftler*innen oder Professor*innen jedoch hoch. So müssen rund 300.000 Euro an Drittmitteln in drei Jahren eingeworben werden. Das Forschungszentrum für Angewandte Informatik (FZAI) wurde an der h_da daher 2017 mit dem Ziel gegründet, die Forschung zu stärken sowie Forschende gezielt zu unterstützen, auch in das Promotionszentrum aufgenommen zu werden.

impact: Primäres Ziel ist also nicht allein, Wissenschaftler*innen zur Doktorarbeit zu motivieren?

Humm: Das ist eine Motivation, aber nicht die einzige. Generelles Ziel ist die Vernetzung und Unterstützung von aktiv Forschenden an der h_da, seien es Promotionswillige, Promovenden oder Professor*innen. Forschung zu stärken, gehört zu den strategischen Zielen der h_da – unser Zentrum ist eine Maßnahme, dem gerecht zu werden. Gemeinsam erreicht man einfach mehr als alleine. So kommen Wissenschaftler*innen beispielsweise über das FZAI mit Kollegen*innen zusammen, die sie vorher vielleicht nicht kannten. Daraus ergeben sich manchmal neue Anknüpfungspunkte oder gar gemeinsame Forschungsanträge. Wir bieten unseren Forschenden Beratung an, vermitteln Kontakte zu möglichen internen oder externen Partnern oder unterstützen mit IT-Infrastruktur.

impact: Wie erfolgreich waren Sie bisher?

Humm: Derzeit sind mehr als 30 Professoren*innen Mitglied im Forschungszentrum, von denen die Hälfte auch die Kriterien für eine Mitgliedschaft im Promotionszentrum erfüllt. Hinzu kommen Angehörige aus sechs Fachbereichen der Hochschule, darunter Mathematik und Naturwissenschaften, Wirtschaft, Elektro und Informationstechnik, Media sowie Maschinenbau und Kunststofftechnik, die alle irgendetwas mit IT zu tun haben. Insgesamt sind es aktuell über 80 Forschende in der angewandten Informatik, die wir fördern und zusammenbringen.

impact: Wie sehen solche Vernetzungen aus? Haben Sie ein Beispiel?

Humm: Ja, sicher. Ein Beispiel ist etwa unser Geschäftsführer Dr. Lukas Kaupp, der seine Doktorarbeit im Promotionszentrum für Angewandte Informatik geschrieben hat. Er hat eine Software entwickelt, die teure und langwierige Systemausfälle in digitalisierten Produktionslinien verhindern soll. Es geht dabei um die rasche Identifizierung von Fehlern in intelligenten Fabriken. Über das FZAI kam er als Informatiker in Kontakt mit Prof. Dr. Stephan Simons vom Lehrgebiet Industrie 4.0 im Fachbereich Elektro- und Informationstechnik, der eine Intelligente Lernfabrik, die Smart Factory, an der h_da aufgebaut hat. Die Vielzahl an Daten, die in der Smart Factory erhoben werden können, war für die Doktorarbeit essentiell. Das ist ein gutes Beispiel aus der Praxis für die Vernetzung von Einrichtungen und Kollegen*innen, die sich vor der Gründung des FZAI gar nicht kannten.

impact: Haben Sie weitere Beispiele?

Humm: Zahlreiche. Etwa ein Projekt aus der Biodiversitätsforschung, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, wo Methoden der künstlichen Intelligenz bei der Auswertung von Bild-, Video- und Audiodaten helfen sollen. Partner des h_da-Fachbereiches Informatik sind hier unter anderem die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, die University of KwaZulu-Natal in Südafrika und der Nationalpark Bayrischer Wald. Ein anderes Projekt ist das Kompetenzzentrum für Arbeit und KI, das mit zehn Millionen Euro vom BMBF unterstützt wird. Hier geht es um die Auswirkungen technischer Entwicklungen auf die Arbeitswelt oder auch Erforschung neuer Anwendungen für KI-basierte Systeme. Hauptantragstellerin ist in diesem Fall die TU Darmstadt, die h_da ist aber mit vier Professoren aus drei Fachbereichen beteiligt. Auch das sind Beispiele für die Vernetzungs- und Vermittlungsarbeit unseres Forschungszentrums.

impact: Wie sieht die Arbeit des FZAI im Detail aus? Welche Mittel stehen Ihnen zur Verfügung?

Humm: Seit der Gründung haben wir rund 250.000 Euro in die Ausstattung des Forschungszentrums mit Hardware investiert – etwa in Form von Projektservern, damit unseren Wissenschaftler*innen für ihre Forschung ausreichend Rechenleistung zur Verfügung steht, sie KI-Modelle rechnen oder Projekt-Homepages aufsetzen können. Wir haben zudem ein Jahresbudget von rund 20.000 Euro, um Reisekosten, Mittel für die Teilnahme an Konferenzen oder Jahrestagungen bereitzustellen. Finanziert wird aus diesem Budget auch unser Geschäftsführer, der technische Dienste einrichtet, Projektausschreibungen in den Verteiler gibt, Unterstützung bei Anträgen leistet, Kontakte mit Partnern und Firmen herstellt und koordiniert. Er ist ein hilfreicher Unterstützer für die Forschenden.

impact: Sie bieten auch Workshops an?

Humm: Ja, 2024 gab es einen zweitägigen Workshop, der sehr gut nachgefragt und erfolgreich war. In kleinen Gruppen haben wir intensiv gearbeitet. Die Teilnehmenden konnten dabei ihre Themen selbst einbringen und auch über die Auswahl bestimmen. Gemeinsam wurde dann etwa über KI in der IT-Security, eine resiliente Infrastruktur in Städten, digitale Desinformation oder auch eine Abbruchvorhersage in der Psychotherapie beraten und diskutiert. Gegenseitig konnten wir uns Tipps geben oder Lösungsansätze vorschlagen. Genau so sollte interdisziplinäre Forschung aussehen. Keiner bunkert sein Wissen, sondern gibt es weiter. Auf diese Weise kamen konkrete Ergebnisse zustande, die praktisch nutzbar waren. Der Workshop war ein Highlight, weil gerade diese Bandbreite an Themen den Unterschied macht.

impact: Wie hat sich das FZAI seit der Gründung entwickelt?

Humm: Wir sind kontinuierlich gewachsen. Anfangs hatten wir rund 20 Mitglieder, heute sind es über 80 Forschende, die von uns betreut werden. Aktuell unterstützen wir 36 laufende Forschungsprojekte. Unsere Arbeit und Entwicklung dokumentieren wir regelmäßig in einem Jahresbericht. 2017 sind wir als ein Projekt an der Hochschule gestartet, 2023 wurden wir zu einer zentralen Organisationseinheit der h_da ernannt – samt Satzung und Sprecher. Das war ein großer Schritt und eine Bestätigung für unsere erfolgreiche Arbeit. Wir sind jetzt besser sichtbar in der Hochschullandschaft, was uns sehr freut. Das hilft uns, unsere Arbeit fortzuführen.

impact: Welche Ziele oder Anliegen verfolgt das FZAI in Zukunft?

Humm: In den vergangenen Jahren hat sich sehr viel in Sachen Forschung an der Hochschule Darmstadt getan. Wichtig ist, dass es dabei nicht allein um das Ziel des Wissensgewinns geht, sondern um den gesellschaftlichen Nutzen. Anwendungsorientierte Forschung an der h_da hat immer einen Bezug zu wichtigen sozialen, gesellschaftlichen Fragestellungen oder eine Verbindung zu UN-Nachhaltigkeitszielen wie Klimaschutz oder Energieeffizienz. Das FZAI möchte die Art und Weise, wie Forschung an unserer Hochschule gelebt wird, unterstützen. Dazu zählt die Stärkung eigener, interdisziplinärer Formate und die Weiterentwicklung der Forschungsstruktur insgesamt. Wir wollen eine eigene Forschungskultur und eine eigene Kultur der Zusammenarbeit etablieren.

Kontakt zur h_da-Wissenschaftsredaktion

Christina Janssen
Wissenschaftsredakteurin
Hochschulkommunikation
Tel.: +49.6151.533-60112
E-Mail: christina.janssen@h-da.de

Leitung FZAI & Kontakt

Das Forschungszentrum für Angewandte Informatik wurde 2017 gegründet. Die Leitung liegt bei Prof. Dr. Bernhard Humm, der auch Sprecher des FZAI ist, sowie bei Prof. Dr. Kawa Nazemi und Prof. Dr. Christoph Krauß. Geschäftsführer ist Dr. Lukas Kaupp.

Website: fzai.h-da.de/