Incubation Program

Europäisches Ideenfeuerwerk

Gemeinsame Vision, gebündelte Kräfte, geballte Innovationen: Mehr als 100 Teilnehmende erleben am 3. Juni einen inspirierenden Nachmittag auf dem Campus der h_da. Studierende, Forschende, Lehrende, Mitarbeitende aus neun europäischen Partnerhochschulen sowie regionale Netzwerkpartner der h_da haben die EUT+ Incubation Program Finals und den TechShowCase zu einem Highlight der EUT+ Darmstadt Week gemacht. Amtssprache: Englisch. Teilnahme: kostenlos – aber keinesfalls umsonst. Neben spannenden Menschen und leckerem Fingerfood war ein wahres Ideenfeuerwerk geboten.

Von Daniel Timme, 5.6.2025

Der berüchtigte Founder Spirit – im Erdgeschoss des h_da Hochhauses ist er spürbar. Anspannung und Vorfreude, Staunen und Lachen, Glück und Erleichterung liegen in der Luft. Koordiniert vom EUT+ Start-up Lab und ausgerichtet von der h_da steigt im Café Glaskasten das Finale des ersten „EUT+ Incubation Programs“ als Pitch-Event. Außerdem bietet der „TechShowCase“ ein Schaufenster in die (gemeinsame) Forschungsarbeit der Allianz auf dem Feld der künstlichen Intelligenz. Eine spannende Mischung. Es knistert.

Prof. Dr. Arnd Steinmetz, Präsident der h_da, blickt bei der Begrüßung gegen 14.30 Uhr auf voll besetzte Stuhlreihen. „Wenn wir über Start-ups sprechen, gelten die USA stets als Vorbild. Ich glaube, in Europa ist manches anders – aber auch hier liegt sehr großes Potenzial“, sagt er – und bereitet damit den Weg für alles Folgende.

Das sind zunächst mal: zwei Gründungsreisen. h_da-Absolventin Janine Weirich berichtet, wie sie mit Kommilitonin Géraldine Ulrichs das Start-up Xeem entwickelt hat – eine Plattform, die anhand von Business Cases junge Menschen und Unternehmen vernetzt. Wesentliche Erfahrungen daraus gibt sie in dieser Form an die Gründungsinteressierten weiter: „Seid mutig. Baut ein Netzwerk auf. Lasst euch von Rückschlägen nicht ausbremsen.“ Auch Johann Scherer, Mitgründer des Start-ups Daidream, zeichnet knapp den Weg seines Unternehmens nach, das pädagogisch wertvolle Inhalte in die ausufernde Bildschirmzeit von Kindern bringen will. „Validiert eure Idee. Prüft genau, ob es einen Markt dafür gibt“, lautet einer seiner Ratschläge. Und: „Das Team ist das Wichtigste!“

Nach der ersten von zwei Pausen, die Raum für Gespräche, Snacks und Getränke bieten, nähert sich das Event seinem Kern: den Ideen, die im sechsmonatigen Incubation Program entstanden sind. An den EUT+ Standorten haben 148 Studierende 52 neue Geschäftsideen entwickelt. In neun Online-Kursen (Masterclasses) haben Expertinnen und Experten aus dem EUT+ Netzwerk den Teams Start-up-Wissen vermittelt – von Finanzierung und Marketing über Präsentationstechniken bis zu Patentrecht. Dann wurde an jeder Hochschule eine Idee ausgewählt, die nun zum finalen Pitch in Darmstadt antreten darf.

Ideen spiegeln die Vielfalt

Acht der neun europäischen EUT+ Standorte sind im Finale vertreten: fünf Teams und drei Solopreneure. Der Rahmen: Maximal fünf Minuten pro Pitch, dann zwei Minuten Fragen. Die Präsentationsform, die nur Raum für das Wichtigste lässt, gehört zum Wesen solcher Pitches. „Start-ups müssen möglichst früh lernen, kurz, klar und verständlich rüberzubringen, was ihre Idee ist und welches Problem sie löst“, sagt Dorothea Böhmer. Die Gründungsberaterin von YUBIZZ, der Gründungsinitiative der h_da, verfolgt die Pitches als Jurymitglied besonders aufmerksam.

Die eigene Idee in einem Wettbewerb vor Publikum unter Zeitdruck auf Englisch vorstellen – eine echte Challenge. Trotz aller Nervosität gelingt das den jungen Gründerinnen und Gründern mitunter beeindruckend gut – wofür es viel Applaus gibt. Das Spektrum der Ideen spiegelt die Vielfalt der beteiligten Nationen und Hochschulen. Auf Zypern wurde „SoulConnect“ erdacht, eine digitale Plattform für mentale Gesundheit. Spanien hat „TrustCertiCar“ entwickelt, einen verifizierten Marktplatz für Gebrauchtwagenkäufer. Aus Lettland kommen Komposttonnen mit integrierten Sortierkästen und Begrünung („City Green“). Und Frankreich liefert mit „Keonergy“ einen Prototyp dafür, ungenutzte Abwärme von Schiffsmotoren in Elektrizität umzuwandeln.

Für die h_da pitcht Huy Nguyen, Student der Wirtschaftspsychologie und Solopreneur. Er hatte im Halbfinale die lokale Jury von YUBIZZ überzeugt. Seine Idee „Snapcare“ will eine fortschrittliche Lösung schaffen, um Arzttermine zu vereinbaren und zielt vor allem auf Menschen mit internationalem Hintergrund. Das Tool soll es ermöglichen Behandlungstermine in der eigenen Muttersprache und zum gewünschten Zeitpunkt auszumachen. „Also ohne Sprachbarriere oder Telefonangst“, verspricht Huy Nguyen.

TechShowCase: Beeindruckende KI-Anwendungen

Nach dem letzten Pitch zieht sich die Jury zur Beratung zurück. Jetzt gehört die Bühne dem TechShowCase und Wissenschaftlern aus Dublin, Limassol, Troyes und Darmstadt. Sie präsentieren aktuelle Forschungsarbeiten aus der europäischen Allianz auf dem Feld der künstlichen Intelligenz. Doktorand Patrick Bauer stellt ein gemeinschaftliches PhD-Projekt von UTT (Troyes) und h_da vor. Darin werden Daten KI-basiert ausgewertet, um auf Bildern der Mondoberfläche Krater automatisch zu erkennen. Ein Anliegen der europäischen Weltraumorganisation ESA, die als Partnerin im Boot, respektive Raumschiff, sitzt.

Dr. P.J. Wall von der Technical University Dublin zeigt auf, wie uns KI hinsichtlich der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) helfen kann. In den von Wall genannten exemplarischen Lowtech-Projekten – sauberes Wasser in Indien, sichere Kochherde in Uganda – hilft KI bei der Auswertung von Daten zum Verschmutzungsgrad von Wasser und Schadstoffen in der Luft. Schließlich stellt Andreas Prodromou von der Cyprus University of Technology „SPECTER“ vor: ein leistungsfähiges, einfach zu bedienendes Tool für die KI-gestützte operative Entscheidungsfindung in produzierenden KMU.

Eine Menge substanziellen Inputs – findet auch Huy Nguyen: „Heute kann ich viele interessante Leute treffen und sehr viel mitnehmen.“ Er ist wissbegierig, ambitioniert – und selbstkritisch. Kleine technische Probleme bei seiner Präsentation ärgern ihn, bringen ihn aber nicht aus der Spur. „Es ist mir unwichtig, ob ich heute gewinne oder nicht. Ich bin hier um zu lernen.“ Sagt‘s und zieht einen Zettel aus der Tasche, auf dem er spontan einen weiteren Verbesserungsvorschlag notiert.

Drei Teams auf dem Treppchen

Fast planmäßig um 18.30 Uhr steuert der Spannungsbogen auf den Höhepunkt zu. Dann betritt Prof. Dr. Nicole Saenger, Vizepräsidentin für Forschung, Transfer und Nachhaltige Entwicklung, die Bühne, um die drei Gewinnerteams bekanntzugeben. Sie öffnet den Umschlag, zieht ein Blatt Papier heraus und – Platz drei geht an die University of Cassino and Southern Lazio für die Idee „Graphene Breathe“! Das fünfköpfige italienische Team arbeitet an einem Geschäftsmodell, um Treibhausgasemissionen aus der Intensivtierhaltung zu nutzen. Verschmutzte Luft soll über Graphenoxid-Filter gereinigt werden, was Treibhausgasemissionen und ihre Folgekosten reduzieren soll.

Auf Platz zwei wählt die Jury die Idee „Solar Blinds“ der Technical University of Sofia (TUS) in Bulgarien. Die drei Gründer wollen die Sonnenenergie an Gebäudefassaden nutzen, die bislang meist verloren geht. Ihre Lösung: intelligente Jalousien, mit integrierten Solarzellen, die sich nach dem Sonnenlicht ausrichten lassen. Vorteile: saubere und umweltfreundliche Energie, weniger Einsatz von Klimaanlagen und mehr Wohnkomfort.

Jubel brandet auf, als Nicole Saenger schließlich den Namen der Erstplatzierten verliest: „Rhythm Touch“! Unter lautem Applaus entern Iulia Bara, Mărioara Mihali, Ioana Popa und Cătălina Rizel die Bühne, vier Studentinnen der Technical University of Cluj-Napoca (UTCN). Sie haben ein Armband entwickelt, das Musik in Vibrationen umwandelt – und so Gehörlosen und Menschen mit Hörbehinderungen zugänglich macht. Eine Idee, die ein großer Gewinn für Millionen Menschen weltweit werden könnte, die wegen einer Hörbehinderung von sozialen Aktivitäten wie Musikfestivals ausgeschlossen sind. „Change the World with Music“ lautet dann auch der Claim, den die vier jungen Rumäninnen ihrer Idee verpasst haben.

Außergewöhnliche Idee toll präsentiert

„Das Gewinnerteam hat die Jury mit ihrer außergewöhnlichen Idee und ihrer tollen Präsentation einstimmig überzeugt!“ verrät uns Dorothea Böhmer. „Sie haben nicht nur Fakten präsentiert, sondern auch die enorm positive Wirkung ihrer Erfindung in kurzen Videosequenzen zeigen können.“ Für ihren kurzen, berührenden Einspieler, in dem Gehörlose dank des Armbands zu Musik tanzen, hatten die vier eine Minute ihrer knappen Pitch-Zeit abgeknapst. Die Siegertrophäe, die sie jetzt in ihren Händen halten – eine goldene Rakete – belegt, dass das eine kluge Entscheidung war.

Sonnige Belohnung für die Siegerinnen von „Rhythm Touch“: Sie gewinnen ein einwöchiges Sommercamp in Limassol auf Zypern! Von den drei Solopreneuren schafft es keiner aufs Treppchen. Enttäuscht, Huy Nguyen? Keine Spur. Im Gegenteil. Er deutet auf die erste Notiz auf seinem Verbesserungsvorschlagszettel: „Team“. „Ich will Snapcare nicht weiter alleine vorantreiben, sondern als nächstes ein Team aufbauen.“ Lessons learned.

„Wir haben von allen Seiten positives Feedback für die Organisation und die Inhalte bekommen“, zieht Jacqueline Nyalwal Bilanz. Bei der Projektkoordinatorin EUT+ Forschung und Transfer der h_da liefen die organisatorischen Fäden zusammen. Jetzt steht sie mit einem Lächeln am Rand und sieht viele strahlende Gesichter. „Die Zusammenstellung der Teams war sehr interessant. Ihre Themen waren innovativ und gut vorbereitet“, findet sie. „Besonders gefreut habe ich mich über die Beteiligung unserer Partner aus dem Gründungsökosystem.“

Arnd Steinmetz hatte es orakelt: Der Blick muss nicht immer in die USA gehen – auch Europa bringt tolle und zukunftsweisende Ideen hervor. Das erste EUT+ Incubation Program war ein Fingerzeig, wie groß die gebündelte europäische Innovationskraft sein kann.

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