Tüftelstube und Begegnungsstätte für Schüler: Das ist das MINT-Schul-Labor an der Hochschule Darmstadt, das vor einem Jahr im Hochhaus der h_da vom Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften eingerichtet wurde in Kooperation mit dem Gymnasium Oberursel und der Darmstädter Eleonorenschule. Dabei haben die Schülerinnen und Schüler trotz Pandemie-Erschwernissen schon ordentlich Preise abgeräumt – allem voran mit einem System zur Ultraschall-Messung der Besucherdichte bei Veranstaltungen unter Corona-Auflagen.
Von Alexandra Welsch, 26.4.2021
Auf den ersten Blick ist es nur ein schwarzes Kästchen, doch dahinter steckt eine smarte Lösung für das öffentliche Leben in Corona-Zeiten. „Das ist der Übergang zu moderner Mechatronik“, sagt Professor Matthias Brinkmann und klappt die per 3D-Drucker gefertigte Plastikhülle auf. Darin: selbstgebaute Elektronik in geordneter Kabelreihung, versehen mit einem Ultraschall-Sensor und zwei Signal-LEDs. Damit lässt sich bei Veranstaltungen die Besucherdichte messen und bei zu geringen Mindestabständen gegensteuern. Doch das ist keinesfalls eine Entwicklung des Optotechnik-Professors: „Auf diese Idee sind die Schüler gekommen“, betont er, „und haben das auch selbst gebaut und programmiert.“
Das Ansinnen steht an der Tür: Technik.Be.Greifen
Greifbar wird das im Hochhaus der Hochschule Darmstadt in Raum 33 im zweiten Stock. Bis vor kurzem war dort noch Lichttechnik-Labor untergebracht, doch nun bietet sich hier ein junges Experimentier- und Tüftel-Feld für Robotik und Elektronik. „MINT-Schul-Labor“, ruft an der Tür ein Plakat aus und macht auch gleich das Ansinnen klar: „Technik.Be.Greifen.“ Vor einem Jahr wurde hier das Schülerlabor zur Nachwuchsförderung am Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften an der h_da fest eingerichtet – und hat schon fleißig Preise abgeräumt.
Für das System zur Ultraschall-Abstandsmessung in Menschenansammlungen hat der Nachwuchs jüngst den 1. Platz als „Schülerprojekt des Jahres“ beim LeLa-Preis 2021 des Bundesverbands der Schülerlabore belegt und 5000 Euro gewonnen. Zuvor hatten die Schülerinnen und Schüler mit diesem Projekt bereits drei Auszeichnungen bei der HAWtech Science Competition 2020 der Hochschulallianz für Angewandte Wissenschaften gewonnen: Den Gesamtpreis, den Sonderpreis für Nachwuchswissenschaftlerinnen und in der Kategorie Professionalität. Auch beim Wettbewerb „Jugend forscht / Schüler experimentieren“ hatten sie Erfolg: 1. Platz in der Kategorie Technik und „plusMINT“-Preis für interdisziplinäre Forschung beim Regionalwettbewerb Rhein-Main West.
„Zur richtigen Zeit am richtigen Ort“
„Mit dem Projekt waren wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, stellt der 53 Jahre alte Physiker fest. Getriggert worden sei das auch vom HAWtech-Preis mit der Vorgabe, etwas zu entwickeln, was das Leben in Coronazeiten einfacher macht. Solche Erfolge seien Attraktionspunkte für die Schüler, „gut für das Wir- und Wohlfühlgefühl“. Das spiele eine große Rolle beim MINT-Schul-Labor, das der Physikprofessor nicht zuletzt als Vater initiiert hat: Man wolle nicht nur schicke Technik-Themen anbieten, „sondern auch Zusammensein und Gemeinschaftsgefühl leben“. Übergeordnet gehe es freilich auch für die Hochschule um die Frage: „Wie schaffen wir es, MINT-Nachwuchs zu gewinnen.“ Zwar seien die generellen Studierendenzahlen seit Jahren am Explodieren, doch in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik blieben sie tendenziell konstant. „Das Interesse ist nicht ganz so stark.“
Da gelte es, möglichst früh anzusetzen. Begonnen hat Brinkmann damit bereits vor drei Jahren: Am Gymnasium Oberursel, seinem Heimatort, hat er die Mechatronik-AG aufgebaut. Dort ist auch das bislang größte Projekt zur Abstandsmessung entstanden. Bis zu 100 Schüler hätten sich dort zuletzt drei Mal pro Woche getroffen, bis der nächste Lockdown kam. Die begeisterte Nachfrage vor Augen, entstand die Idee für ein festes MINT-Schul-Labor auch an der h_da. Wegen der Pandemie-Beschränkungen konnten dort zwar bislang noch keine regelmäßigen Angebote laufen. Doch Brinkmann hat inzwischen als weitere Kooperation eine MINT-AG mit der Eleonorenschule in Darmstadt gestartet.
Teichanalyse im Biochemielabor
Tür auf zum Biochemielabor: Neben dem Raum für Robotik und Elektronik und einem weiteren für regenerative Energien bietet sich hier der dritte Bereich des MINT-Schul-Labors im Hochschul-Hochhaus. Ein weißer Schutzkittel hängt griffbereit an einem Garderobenhaken, daneben liegt das Periodensystem parat, dazwischen bevölkern Fläschchen voller Flüssigkeiten die Tische, Plastikwannen mit Chemikalien, Aquariumstechnik und im Eck ein Kanister mit Wasserproben. „Der Teich im Laborglas“, heißt das aktuelle Projekt, das in diesem Bereich einige Eleonorenschülerinnen beschäftigt. „Der Schulteich drohte im letzten Sommer zu kippen“, erzählt Matthias Brinkmann. Daraus ergab sich das Vorhaben „auf sanfte Art diesen Teich wieder flott zu machen“. Da wurden per Wasseranalyse Nähr- und Giftstoffe sichtbar gemacht und dann mittels Filtermethoden und Bakterieneinsatz die Gewässerqualität aufgefrischt. Auch hierfür gab es eine Auszeichnung: 3. Preis beim Regionalwettbewerb Südhessen von „Jugend forscht / Schüler experimentieren“.
Die Preise sind natürlich ein Sahnehäubchen, doch die Schüler sind nicht nur deshalb begeistert dabei. „Der praktische Teil, das sich selber Erarbeiten, das wird da nochmal mehr angeboten als in der Schule“, befindet Elftklässler Kevin Stricker von der Mechatronik-AG am Gymnasium Oberursel. „Da kann man das vielfältiger machen.“ Er interessiert sich seit der siebten Klasse für Informatik, auch privat beschäftigt er sich mit Programmieren. „Aber in der Mechatronik-AG kann man nochmal Projekte viel größer bearbeiten.“ Besonders spannend findet er das Thema Datenaustausch, auch deswegen war für ihn die Entwicklung des Tools zur Besucherdichte ein Highlight. „Weil das auch noch so einen Bezug zur Realität hat.“ Das MINT-Schul-Labor an der h_da konnte er wegen der Pandemie bislang erst einmal besuchen. „Aber das war sehr interessant.“ Besonderen Eindruck hat ein echter Industrie-Roboter hinterlassen, mit dem durften sie sich im Armdrücken messen. „Der war lustig.“
„Highlight ist, wenn sie löten dürfen“
Zurück im Robotik-Raum, spricht der betreuende Professor über die Philosophie hinter dem Schul-Labor. „Um junge Erwachsene zu begeistern, muss man sie erstmal die Technik erleben lassen“, betont er. „Nicht mit der Theorie anfangen, sondern mit Entdecken und Neugier.“ Er öffnet eine Schranktür und offenbart Regalreihen randvoll mit Plastikteilen aus Konstruktionsbaukästen, attraktiv eher für jüngere Schüler von Klasse 5 bis 7. Für die Älteren steht der 3D-Drucker parat zum Erschaffen eigener Kunststoff-Bauteile. Und auf der großen Tüftelfläche in der Mitte tummeln sich ein paar elektronisch gesteuerte Fahrzeuge zwischen Profi-Geräten wie einem Labor-Frequenzgenerator oder einem Digital-Oszilloskop. „Ein Highlight für die Teilnehmer ist es beispielsweise, wenn sie selbstständig löten dürfen“, erzählt Brinkmann überrascht. Haptisches Arbeiten, so schiebt er nach, komme eben im Alltag der Kinder und Jugendlichen immer seltener vor.
Auch das will das MINT-Schul-Labor fördern. Finanziert wird es dabei im Verbund vom Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften, dem Gymnasium Oberursel und der Eleonorenschule und personell unterstützt von drei Kollegen Brinkmanns plus Laboringenieuren. Während im Betreuer-Team nur eine Frau ist, beträgt der Mädchen-Anteil bei ihrem MINT-Nachwuchs rund fünfzig Prozent. „Wir stecken noch in den Kinderschuhen“, sagt Professor Matthias Brinkmann und hofft, dass die Pandemiebremse bald enden möge. Denn sie wollten eben nicht nur Experimentierlabor sein, sondern auch Begegnungsstätte. Von dem Preisgeld wollen sie daher nach dem Wunsch der Youngster Relax-Ecken im Labor einrichten zum gemeinsamen Chillen nach getaner Arbeit.
Die nächsten Projekte sind aber auch schon angedacht. Der Schulteich der Eleonorenschule sei über den Winter wieder gekippt, berichtet Brinkmann. Da stehe nun wohl als nächstes eine Bodenanalyse an. Und im Bereich Robotik und Elektronik wird das nächste spannende Großprojekt eingeleitet: die Operation „Work on Mars“. In einem Abstellraum an der Hochschule soll eine Marslandschaft aufgebaut werden. Und die Schüler können aus der (Oberurseler) Ferne Rover-Modelle in der Marslandschaft steuern und Aufgaben erledigen lassen, ohne ihn dabei zu sehen – nur auf Basis von je einem Kamera-Bild pro Minute, so wie bei den richtigen NASA-Rovern auf dem Mars. „Da freue ich mich schon sehr drauf“, sagt Kevin, der Datenaustauschfan. „Das wird sicher sehr interessant.“
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Christina Janssen
Wissenschaftsredakteurin
Hochschulkommunikation
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